28 Theater in Mariupol
Glauben Sie, dass ukrainische Kinder bombardiert werden sollten? In einem Theater, in dem sie Schutz suchten? 600 Tote? Das hat Russland in Mariupol getan.
28.1 Ort der Belagerung
Der Krieg gegen Mariupol begann nicht erst 2022, sondern bereits 2014, als Russland einen verdeckten Krieg führte. Nach der Annexion der Krim und dem Krieg in Donezk und Luhansk verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Stadt drastisch. Der Bau der Kertsch-Brücke isolierte Mariupol vom internationalen Seehandel.
Die Belagerung Mariupols begann mit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 und endete am 20. Mai 2022 mit der Kapitulation. Die Stadt wurde vollkommen eingekesselt und von der Außenwelt abgeschnitten. Durch die russische Lufthoheit war Mariupol der russischen Bombardierung schutzlos ausgeliefert. 90 % der Wohngebäude wurden zerstört, Wasser, Elektrizität, Energie-, Wärme- und Heizungssysteme – wurden schon eine Woche nach dem Beginn des Krieges systematisch zerstört und damit die in den Kellern der Wohnblocks ausharrende Bevölkerung der anhaltenden winterlichen Kälte schutzlos preisgegeben.
28.2 Ort der Kultur
Das Theater von Mariupol ist wie zum Beispiel das Theater in Aachen ein Ort der Zivilisation, der Kultur und des Friedens.
28.3 Ort des Todes
In die Keller des Theaters hatten sich über 1200 Bürger, darunter viele Kinder, geflüchtet, worauf zwei große, aus der Luft gut lesbare Pflasteraufschriften „ДЕТИ“ (Kinder) vor und hinter dem Theater hinwiesen. Am 16. März 2022 bombardierte Russland das Theater gezielt, und tötet nach Schätzungen von Associated Press ca. 600 Menschen (Wikipedia).
Das Bild stammt aus diesen Geschichten von Überlebenden.
28.4 Ort der Massengräber
Es gab in Mariupol massive Menschenrechtsverletzungen, darunter gezielte Angriffe auf Zivilisten, Blockaden humanitärer Hilfe und die Bombardierung medizinischer Einrichtungen. Der schlimmste Fall der Zerstörung einer medizinischen Einrichtung war die gezielte Bombardierung der Geburts- und Kinderklinik auf dem linken Ufer Mariupols am 9. März 2022 (siehe Kapitel 97). Man geht von 100.000 Toten in Mariupol aus, viele wurden in Massengräbern verscharrt.1
28.5 Ort der Gerechtigkeit?
Juristen bewerten die Ereignisse gemäß der Konvention zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord als Völkermord, da gezielt Lebensbedingungen geschaffen wurden, die die Bevölkerung vernichten sollten. Dazu gehörten die Einkesselung der Stadt, das Aushungern der Menschen, die gezielte Bombardierung von Schutzräumen und Krankenhäusern sowie die Deportation von Zehntausenden nach Russland.
Selbst das oft Russland-geneigte Amnesty International konnte nicht anders, als den russischen Angriff auf ein mit schutzsuchenden Zivilisten gefülltes Theater als ein klares Kriegsverbrechen zu bezeichnen, welches vor den Internationalen Gerichtshof gehört.2
Auch ein längerer Aufsatz über Mariupol in der Zeitschrift Osteuropa kommt zu der Schlussfolgerung, dass Russland in Mariupol Völkermord begangen hat3, siehe auch Kapitel 38, allerdings beinhaltet der Text von 2022 noch russische Narrative über angebliche Separatisten im Donbas, siehe Kapitel 34.
Dieser Völkermord hätte vermutlich verhindert werden können, wenn die internationale Gemeinschaft früher entschlossener gehandelt hätte.
3rd mass grave was found near Mariupol (2024-04-25). hromadske.radio. https://hromadske.radio/en/news/2022/04/25/3rd-mass-grave-was-found-near-mariupol-photos↩︎
Ukraine: Deadly Mariupol theatre strike ‘a clear war crime’ by Russian forces – new investigation. (2023, June 30). Amnesty International. Retrieved May 1, 2024, from https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/06/ukraine-deadly-mariupol-theatre-strike-a-clear-war-crime-by-russian-forces-new-investigation/↩︎
Otto Luchterhand (2022-04-14). Völkermord in Mariupol. Zeitschrift Osteuropa. https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/voelkermord-in-mariupol/↩︎